Emanzipatorische Erzählungen. Von Behältnissen und Spielräumen
Abstract:
In meinem Beitrag beschäftige ich mich mit der Frage, „Welche Vorstellungskräfte können sich mittels künstlerischer und theoretischer Rahmung entfalten und inwiefern können diese als Behältnisse emanzipatorischer Erzählungen fungieren?“ Mein Verständnis von ‚Vorstellungskraft‘ ist dabei aus einer Perspektive der Repräsentation zu verstehen, bei der es darum geht, unterschiedlichen und unterrepräsentierten Gruppen eine eigene Vertretung (ein Moment des Sich-Vorstellens) zu schaffen. Meine Fragestellung bildet die Grundlage für eine Untersuchung an den Grenzen binär-patriarchaler und kolonialer Taxonomien in literarischen, künstlerischen, aktivistischen sowie philosophischen Ansätzen, die Spuren und Fragmente für Räume der Wiedergutmachung und Wandlung anbieten. Die Leser*innen entscheiden, in welcher Form sie das Kartenset erweitern und in einem kollektiven Arbeitsprozess mitgestalten wollen, z.B. durch performative Aktionen, Fotoreihen, Zeichnungen, Lektüren usw.

Emanzipatorische Erzählungen. Von Behältnissen und Spielräumen ist ein künstlerisches Kartenspiel für Personen, die keinen oder wenig Zugang zu institutioneller Bildung haben, und auch für Personen, die innerhalb von Bildungsinstitutionen (Museen, Pädagogische Schulen, Sekundarschulen, Art Education usw.) agieren und Wege suchen, um marginalisierten Menschen mehr Emanzipation und Repräsentation zu verschaffen.

Das Kartenspiel kann je nach Gruppe angepasst werden (bzgl. Sprache, Bilder oder Piktogramme), um die Partizipation aller Teilnehmenden zu ermöglichen. Das Kartenspiel versteht sich als Antwort auf Luise RammsLuise Ramm war Teilnehmerin des Seminars „Situierung zwischen den Stühlen“. Sie hat mich zu meiner Position als Kulturagent interviewt. Ich nehme Bezug auf ihre Videoarbeit „Kunst Gesellschaft Bildung“. (Kunst Gesellschaft Bildung). Videoarbeit und hat das Ziel, die Vorstellungskraft der angesprochenen Personen für mehr Emanzipation anzuregen und Widerstand gegen etablierte Normen zu unterstützen. Was mich an Luises Arbeit interessiert, ist die lautstarke Aussagekraft der zahlreichen Begriffe, die das Verhältnis zwischen Schule, Gesellschaft und Kunst definieren, und gleichzeitig der vorgegebene Rahmen, in dem sich diese drei Begriffe zusammen mit einer*m Kulturagent*in befinden. Kurz gesagt: Es geht um die Situierung zwischen den Stühlen.

Laut Luises Video kann dieser Rahmen bewegt werden. Ich möchte mich mit vorgegebenen Rahmen beschäftigen: Die Grenzen und Kategorien abstecken, die uns subjektivieren und konstituieren, und dadurch die Gefässe für Verschiebungen, Überschreitungen und emanzipatorische Erzählungen öffnen und weiten.

Dafür habe ich mir ein Kartenspiel ausgedacht, das zur Diskussion, Reflexion oder zu einer praktischen Auseinandersetzung einlädt. Dieses Kartenspiel umfasst zahlreiche Begriffe, die durch Luise angeregt oder durch mich von ihr übernommen wurden. Ich habe diese Begriffe in meinem Kartenspiel in Anmerkungen, Fragestellungen, Vorschläge, Lesetexte, Kunstwerke oder Textausschnitte übersetzt, die als Inhalt spielerische Gefässe (Behältnisse) generieren und die Vorstellungskräfte der Teilnehmer*innen anregen.


Spielanleitung

Einführung und Kontextualisierung:

Emanzipatorische Erzählungen. Von Behältnissen und Spielräumen ist ein Kartenspiel aus 20 Stücken (plus Karte 0) und knüpft an Theorien und Praktiken an, die Dekonstruktion und Transformation erzeugen. Das Kartenspiel zielt darauf ab, die Vorstellungskraft der Mitspieler*innen zu aktivieren. Die Karten versuchen, ein Zeichen, einen Impuls zu geben und wurden als Inspiration und Ermutigung für Überlegungen und Handlungsmöglichkeiten zum Weiterspinnen von Verschiebungen konzipiert.

Das Kartenspiel ermöglicht den Mitspieler*innen, sich mit Strategien und Formen der Emanzipation zu beschäftigen. Die Teilnehmer*innen entscheiden mit, denn sie können die Spielregeln ändern, Einfluss auf das Spiel nehmen und bestimmen, in welcher Form sie das Kartenset erweitern und in einem kollektiven Arbeitsprozess mitgestalten wollen (performative Aktion, Fotoreihe, Zeichnung usw.).

Gleichzeitig können sie sich mit früheren und aktuellen emanzipatorischen Positionen auseinandersetzen und diese in der Gegenwart anknüpfen. So entsteht ein Impuls als Forderung eines intergenerationellen und verbindenden Dialogs.

Spielvorbereitung:

Anfangs versammeln sich die Mitspieler*innen rund um einen Tisch. Darauf werden die Karten mit der Rückseite ausgelegt. Die auf dem Tisch liegenden Karten haben alle die gleiche, textfreie Rückseite. Das Kartenspiel ist dynamisch. Alle Karten können sich miteinander verbinden und Einfluss aufeinander ausüben, ohne dass es eine bestimmte Anordnung gibt. Die Teilnehmer*innen bestimmen, an welcher Stelle sie anfangen möchten oder mit welchen Karten sie arbeiten wollen. Die Texte auf den Karten sind (während des Spiels) nicht sichtbar, damit der Zufall eine Rolle spielen kann.

Vorgehensweise:

Im Verlauf des Spiels werden Schritt für Schritt und je nach Karte Kommentare und Fragen von Teilnehmer*innen formuliert, damit ein Wissensprozess der Zusammenarbeit angeregt werden kann. Es handelt sich hier um einen kollektiven Prozess, in dem die Teilnehmer*innen sich gegenseitig ihre Erfahrungen mitteilen und darüber wechselseitig interagieren können. Der Zufallsfaktor im Kartenspiel eröffnet Denk- und Gestaltungsräume und ermöglicht eine Reflexion und Praxis ohne Spielregeln und unabhängig von einer dominierenden und hierarchischen Wissensstruktur.

Darüber hinaus / Was sich sonst noch lernen lässt:

Das Kartenspiel verbindet fragmentarische Teile auf rhizomatische Art miteinander. Dies geschieht in einer nicht-linearen, netzartigen Heterogenität von Verknüpfungen, die Diskussionen, Ausdruck und Vorstellungskräfte in einem partizipatorischen und ästhetischen Bildungsprozess aktivieren. Das Kartenspiel wird mit anderen Medien wie Zeichnung, Film oder Lesetext verbunden und weiterverbreitet. Die Hinweise auf Lektüren dienen der Weiterverfolgung und Vertiefung eines Themas. Je nach Gruppenentscheidung und Zeitressourcen können sie für Lektionen oder Workshops verwendet werden.

Auf den Karten befinden sich Anleitungen in Form einer Einladung, einer Fragestellung und/oder eines Lesetextes, die zu Aktivitäten mit weiteren Medien zum gleichen Thema führen. Zum Beispiel dient eine Karte als Anregung zum Zeichnen und Lesen.


Ein Beispiel:

Das Monster zeichnen.

Das lateinische Nomen „monstrum“ (Monster) wird mit dem lateinischen Verb „monstrare“ (zeigen, weisen, andeuten) in Zusammenhang gesetzt. Zeigen... monstrare... Monster. Ein Monster als Symbol für Kritik zeigen: Stelle dir ein vielköpfiges Monster vor. Gelingt es dir? Was könnte dieses Monster de-monstrieren?

Lektüre:
Linebaugh, Peter/Rediker, Marcus (2022): Die vielköpfige Hydra. Berlin, Assozation A.
Sharold, Irmgard (2015): Zur Definition des Monsters und des Monströsen. In: Monster. Fantastische Bildwelten zwischen Grauen und Komik (Ausstellungskatalog). Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, S. 26-40.


Die Zeichnungen und andere Medien der Teilnehmer*innen können sowohl Teil des Kartenspiels werden als auch eine Anknüpfung an die Karten darstellen, die die Teilnehmer*innen als Zeichnung, Foto oder Textarbeit in neuen Karten gestalten wollen. Immer neue Inputs der Teilnehmer*innen erlauben es, das Kartenspiel zu erweitern.
 
Viel Spass beim Ausprobieren, Einsetzen, Testen und Weiterentwickeln des Kartensets. Die Karten können als PDF heruntergeladen und ausgedruckt werden.




Das gesamte Spiel findest du hier.






Kurzbiografien der Autor_innen: