Jlien Dütschler, Lara Rubin im Gespräch mit Judit Villiger: Drei Fragen an – künstlerisch-ästhetische Antworten auf Schüler*innenarbeiten finden

Abstract:
Die ästhetische Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Schüler*innen ist immer auch ein Prozess der Selbstreflexion und der professionellen Weiterentwicklung. Im Dialog mit den künstlerisch-ästhetischen Produkten und Prozessen entsteht nicht nur ein tieferes Verständnis für das Geleistete, sondern auch eine Sensibilisierung für die eigenen Haltungen im Umgang mit Bewertung und Würdigung. Vor diesem Hintergrund wurden für die Netzwerkveranstaltung mind the gap vier Workshops entworfen, in denen die gemeinsame Betrachtung und Analyse von anonymisierten Werken von Schüler*innen aus dem Fach Bildende Kunst über verschiedene mediale Zugänge eröffnet und im Austausch geübt werden konnten: Sprechen, Malen/Zeichnen, Schreiben und der Einsatz von KI-Tools. Die dokumentierten Materialien aus dem Kunstunterricht werden dabei zum Ausgangspunkt eines ästhetischen Dialogs, der sowohl differenziert als auch emotional, künstlerisch wie ästhetisch geführt wird und somit Antworten auf zentrale berufliche und fachdidaktische Fragen ermöglicht. Statt Schüler*innenarbeiten lediglich aus einer rezeptionsästhetischen Perspektive – also mit dem Fokus auf Wahrnehmung und Bewertung – zu betrachten, wurde der Blick auf das Produktionsästhetische gerichtet: Die Lehramtsstudierenden reagierten mit eigenem künstlerischen Handeln auf das darin Wahrgenommene. Diese ästhetischen Antworten spiegeln nicht nur ihre eigene Rezeption wider, sondern eröffnen zugleich eine neue, gestaltende Form des Verstehens und Reflektierens.

Gespräch mit Jlien Dütschler, Lara Rubin: Drei Fragen an

Das Gespräch zwischen Jlien Dütschler, Lara Rubin und Judit Villiger Alle drei zeichnen verantwortlich für die Konzeption und Umsetzung der Netzwerkveranstaltung ZHdK im Februar 2024. fand am 2. Juni 2025 hybrid an den Standorten Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und Freies Gymnasium Zürich (FGZ) statt. Jlien Dütschler ist erfahrene Praxislehrperson und Fachvorstand Bildende Kunst am FGZ sowie in der berufspraktischen Lehre am Master Art Education engagiert. Lara Rubin ist Unterrichtsassistentin am Master Art Education und arbeitet seit einigen Jahren als Lehrerin für Bildende Kunst. Sie hat die Praxis der Bewertung an verschiedenen Gymnasien begleitet, aktuell arbeitet sie an der Evangelischen Mittelschule Schiers, ab Sommer wird sie ihre Tätigkeit an der Atelierschule Zürich aufnehmen.

Zwischen diesem Gespräch im Format Drei Fragen an und der gemeinsam durchgeführten Netzwerkveranstaltung Die Masterstudiengänge Art Education der vier Deutschschweizer Kunsthochschulen organisieren jedes Semester in Kooperation eine Blockwoche zu Themen der Kunstpädagogik. Ziel der sogenannten Netzwerkveranstaltung Art Education ist es, den Diskurs über aktuelle Fragestellungen anzuregen und die verschiedenen Ausbildungsinstitutionen zu vernetzen. An der ZHdK werden die Netzwerkveranstaltungen gemeinsam mit der Forschung Art Education ausgerichtet. (NWV) mind the gap Die aus der Netzwerkveranstaltung mind the gap herausgearbeitete Fragestellung – in Workshops ästhetische Auseinandersetzungen mit Schüler*innenarbeiten zu entwickeln – ist Ausgangspunkt für das vorliegende eJournal Nr. 28. liegt über ein Jahr. Doch gefühlt sind wir wieder mittendrin, sobald wir drei uns die Schüler*innenarbeiten erneut ins Gedächtnis rufen, die uns in jener Woche mit den Lehramtsstudierenden beschäftigt haben. Die damals gestellten Fragen haben für uns nichts an Aktualität eingebüsst. Ob sich durch die zwischenzeitlich immer wieder erfolgte Beschäftigung mit diesen Fragen an der Praxis des Einschätzens im Schulalltag – zumindest in Bezug auf unser Verständnis und unsere eigene Praxis – etwas verändert hat? Und wenn ja, wie liesse es sich beschreiben?

Blick zurück

Fragen

Wir haben uns im Rahmen der NWV vom 12. bis 16. Februar 2024 folgende Fragen vorgenommen:

„Wie können wir mit und anhand der Werke von Schüler*innen eine Auseinandersetzung gestalten, um auf künstlerische Weise mit den dokumentierten, gesammelten Produkten und Materialien Reminiszenzen aus gestalterischen Prozessen von Schüler*innen aus dem Unterricht. in einen ästhetischen Dialog zu treten? Wie damit auf die Anforderungen unseres Berufs antworten? Inwiefern könnten wir damit, dem Verständnis unseres Faches folgend, einen Dialog mit dem Geleisteten sowohl differenziert als auch gerecht führen? Wie mit den Werken in einen Austausch kommen?“

Vorstellung

Dabei gingen wir von der Vorstellung aus, die wir zu Beginn als These folgendermassen formulierten:

„Das ästhetische Befragen von Schüler*innenarbeiten und ihren Prozessen geschieht nicht, ohne gleichzeitig auch etwas für unsere eigene Sensibilisierung und Haltung im Umgang damit zu tun. Wir erhoffen uns, an der ästhetisch-künstlerischen Auseinandersetzung persönlich zu wachsen und neue Blickwinkel auf die komplexen Anforderungen der Bewertung künstlerisch-ästhetischer Produkte und ihrer Prozesse zu erwerben. Heute fragen wir: Was ist dabei passiert, was haben wir erlebt und vor allem, was ist geblieben durch diese Erfahrung?“

Vorgehen

Wir hatten frühzeitig ein Dutzend Praxislehrpersonen angefragt, ob sie uns je einen Klassensatz ihrer Schüler*innenarbeiten mit den dazugehörenden Aufgabenstellungen und Informationen zur Bewertung für Ausbildungszwecke zusammentragen und überlassen würden. Die Lehrpersonen konnten frei wählen, was sie als geeignet erachteten. Sie wussten zudem, dass wir an den dokumentierten Arbeitsprozessen das Einschätzen der Arbeiten thematisieren würden. Die Werke der Lernenden aus den verschiedenen Kantonsschulen wurden von uns physisch zusammengetragen und so aufgearbeitet, dass sie anonymisiert und physisch wie digital zur Verfügung gestellt werden konnten.

Sprechen (I) | Malen/Zeichnen (II) | Schreiben (III) | KI-Tools (IV)

Mit den Workshops der Netzwerkveranstaltung stellten wir uns die Frage, inwiefern das Einschätzen von Arbeiten selber als kreativer Prozess zu verstehen wäre. Mit der Untersuchung versuchten wir, neue, über traditionelle Ansätze hinausgehende Beurteilungsformen anzustossen. Die teilnehmenden Studierenden der Netzwerkveranstaltung wurden ermutigt, mit den Schüler*innenarbeiten in einen ästhetischen Dialog zu treten, bevor sie den Hintergrund der Aufgabenstellung einbeziehen.

Ziel war es, über verschiedene Medien und unter Anleitung von Expert*innen aus den Bereichen Sprechen, Malen/Zeichnen, Schreiben und Anwendung von KI-Tools mit den Werken zu kommunizieren und dadurch vielfältige Perspektiven und Deutungen zu gewinnen. Die Workshops fanden statt in vier Gruppen (Sprechen, Malen/Zeichnen, Schreiben und KI-Tools) von je 24 Studierenden, die aus je vier Hochschulen zusammenkamen. Diese wurden für die Arbeiten wiederum in je drei Untergruppen à acht Personen aufgeteilt. Jede Untergruppe beschäftigte sich mit einem Klassensatz Schüler*innenarbeiten. Über die jeweiligen Zugänge tauschten sich die Untergruppen aus.

Für die Gruppeneinteilung wurde neben der Durchmischung der Studierenden aus den Hochschulen eine Priorisierung der Interessen berücksichtigt. Hierzu wurde vorab zusammen mit der Aufforderung, sich einzuschreiben, ein Link verschickt.

Ausschreibungstexte der Workshops

Workshop I – Sprechen

„Das Bewerten kann man gestalten, und dabei sind unsere Sprache, Stimme und Auftreten wichtig. Es ist ein fortwährender Dialog, der mal schneller, mal langsamer fliesst, und immer wieder neue Wendungen nimmt. In Diskussionen unter Studierenden, Lehrpersonen und innerhalb der Schülerschaft gibt es verschiedene Rollen und Arten zu sprechen. Diese Gespräche prägen die Identität einer Gruppe, die Bewertungen vornimmt. Es geht darum, wie wir unsere Stimme einsetzen – unsere Intonation, Lautstärke, Stimmfarbe, Sprechgeschwindigkeit, Betonung, Körpersprache, Mimik, im Zuhören und im Pausen setzen. Das Ziel ist, in einer Art performativer Juryrunde Erfahrungen im Beurteilen zu sammeln und dabei signifikante ‚Stimmenteppiche‘ und Melodien zu identifizieren.“ (Francesca Tapp, Schauspielerin, Sängerin, Logopädin; Dimitri de Perrot, Musiker, Theaterschaffender; Jlien Dütschler, Gymnasiallehrerin für Bildnerisches Gestalten, Praktikumsdozentin MA Art Education ZHdK)

Workshop II – Malen/Zeichnen

„Über drei experimentelle Zugänge/Werkstätten nähern wir uns zeichnerisch und malerisch den Werken der Schüler*innen an, um über eine künstlerische Auseinandersetzung die Komplexität des Settings beim Unterrichten persönlich zu untersuchen. Wir erhoffen uns, mit einer kollektiven Herangehensweise als künstlerisch forschenden Prozess neue Erfahrungen zu machen, um mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen die eigene Unterrichtspraxis im Hinblick auf das Bewerten neu denken zu können.“ (Jacqueline Baum, Künstlerin, Dozentin; Andrea Heller, Bildende Künstlerin)

Workshop III – Schreiben

„Wir setzen uns mit Begleitung von und Rückmeldung auf Schüler*innenarbeiten auseinander, indem wir unterschiedliche Wege der schriftlichen Reaktion erproben. Wir erkunden künstlerische, experimentelle und konventionelle Rückmeldungsmöglichkeiten auf ausgewählte Schüler*innenarbeiten und diskutieren diese in der Gruppe. Mit dem Ziel, darin wichtige Erkenntnisse für die eigene Haltung sowie Tools für die Unterrichtspraxis zu gewinnen, bearbeiten wir über zwei Tage hinweg die Frage: ‚Wie kann / wie soll / wie möchte ich auf Schüler*innenarbeiten schriftlich reagieren?‘“ (Delphine Chapuis Schmitz, Dozentin Master Transdisziplinarität, Künstlerin, Schriftstellerin, Übersetzerin; Dominic Oppliger, Dozent, Autor)

Workshop IV – KI-Tools einsetzen

„Was lässt sich mit KI anstellen? Was sagt uns KI in Bezug auf das Bewerten?
Wir untersuchen die Arbeiten von Schüler*innen experimentell mit KI-basierten Tools. Ziel ist es, im Workshop einen neuen Zugang zu den Arbeiten, zum Bewerten und zu Aufgabenstellungen zugleich zu finden.
Gleichzeitig schwingt darüber hinaus die Frage mit, welche Rolle und welche Bedeutung KI in Zukunft insbesondere für den Unterricht in Bildender Kunst einnehmen wird/könnte. Die Auseinandersetzung und Begegnung mit KI kann für Überraschungen sorgen. Es sollen dabei interessante Diskussionen und Reflexionen in der Gruppe angeregt werden.“ (Beat Hochrainer, Inhaber Oloid Concept, Experte für KI-basierte Bildgenerierung;
Silvan Kälin, Gymnasiallehrerin für Bildnerisches Gestalten, Künstlerin)

Das Gespräch Drei Fragen an

  1. Was wollten wir zum Bewerten mit Studierenden in der Netzwerkveranstaltung wie und wodurch angehen? Wie würdet ihr das Vorhaben heute beschreiben?

Jlien Dütschler: Ein wichtiger Teil der NWV war es, künstlerisch auf die Arbeiten der Schüler*innen zu reagieren, ja, ästhetisch wie künstlerisch mit ihnen in einen Dialog zu treten, um dadurch mit den Anforderungen unserer Fachs Bildende Kunst in Bezug aufs Bewerten und Einschätzen von Arbeiten zu reagieren.

Judit Villiger: Was veränderte sich durch dieses Vorgehen als ‚Methode‘?

Jlien Dütschler: Wenn man im schulischen Alltag bewertet, geschieht dies in der Regel im Gespräch, bestenfalls in einem Dialog. Sobald sich ein Gespräch über die Arbeit mit den Schüler*innen entwickelt, kommt etwas in Gang. Aber dazu braucht es Instrumente, die bewusst eingesetzt werden können. Und man muss sich darüber klar sein: Der Schulalltag ist hektisch, und dass dieser Dialog nicht immer ideal stattfinden kann, scheint mir realistisch. – Doch wäre man sich als Lehrperson dieser Instrumente bewusst, könnte sich ein Ritual entwickeln, das ausgebaut und etabliert werden kann. Und solch ritualisierte ‚Bewertungsdialoge‘ könnten eine künstlerische Komponente, einen ästhetischen Modus enthalten.

Judit Villiger: Was meinst du mit künstlerischen Komponenten im Dialog mit Schüler*innen?

Jlien Dütschler: Unser Versuch war, herauszufinden, ob wir bis und mit der Rückmeldung zur Arbeit in einem künstlerischen Selbstverständnis bleiben können, das ist gemeint mit künstlerischem Dialog. Die Stärke davon ist klar: Es wäre eine Begegnung auf Augenhöhe mit den Schüler*innenarbeiten, und es würde offenlegen, dass auch das Bewerten ein Prozess ist. Damit zeigten wir uns als Lehrpersonen in der Vorbildfunktion; indem hier auch Subjektivität ins Spiel kommt, würde es uns menschlich machen, wir würden uns verletzlich zeigen.

Kurze Pause

Doch die Gefahr, auf Schüler*innenarbeiten künstlerisch-gestalterisch zu reagieren, liegt darin, dass es zu einer Vereinnahmung der Arbeiten kommen kann. Die Gefahr, dass die Lehrperson die eigene künstlerische Reaktion überformt, den Arbeiten etwas überstülpt. Wir haben Werke vor uns und reagieren darauf. Dies kann zur Projektionsfläche unserer eigenen Haltung werden. Und dadurch könnte der Dialog vielleicht etwas in den Hintergrund treten. Es müsste ein sehr sorgsamer Dialog geführt werden, so oder so. – Das ist mir geblieben.

Zudem hat in der NWV das Peer-to-Peer-Moment gefehlt, welches es vermehrt zu integrieren gälte. Ich meine damit, wie es wäre, wenn Schüler*innengruppen künstlerisch auf die Arbeiten der anderen reagierten! Was ich sagen will: Es ist nur eine Möglichkeit unter anderen und ein Versuch, wenn die Lehrperson den künstlerisch-gestalterischen Umgang mit den Arbeiten sucht.

Lara Rubin: Für mich war die Netzwerkveranstaltung eine Art Utopie, was wir versuchten, eine Möglichkeit, mit der die Studierenden eine Haltung entfalten konnten, sich zu Schüler*innenarbeiten zu verhalten. Ich glaube, die unterschiedlichen Arbeitsformen in den Workshops waren sehr produktiv. Aber ich frage mich auch, wie das in der Praxis realisiert und angewendet eine Form finden kann!

Judit Villiger: Es ging uns um eine Sensibilisierung mit den Workshops. Darum, den Blick dafür zu schärfen, was in Schüler*innenarbeiten leicht übersehen, ja, übergangen wird, wenn sie nur dazu da sind, als ‚Leistungsmesser‘ eingesetzt – bewertet und eingeschätzt – zu werden. Wir wollten dieses Verhältnis aufbrechen und allenfalls neu hinbekommen. Ob es sich in der Praxis umsetzen lässt und wie diese Umsetzung aussähe, mussten wir fürs Erste zurückstellen. Es ging um eine Annäherung in Form einer Wahrnehmungsübung im Studium.

Jlien Dütschler: Was mir dabei bewusst geworden ist: Es ist immer eine Entscheidung, was ich bewerten möchte und was nicht. Diese Entscheidung muss ich an der Arbeit fällen – obwohl ich eine Note machen muss. Viele Teilaspekte einer Arbeit sind nicht bewertbar, ich kann sie wertschätzen, aber muss sie nicht in die Bewertung einbeziehen. Ebenso, wenn man die Arbeiten anschaut und versucht, die Prozesse nachzuvollziehen, braucht es ausführliche ästhetische Untersuchungen.

Lara Rubin: Was spannend gewesen wäre mit den Workshops noch vertiefter umzusetzen, wäre das Bewerten im Quervergleich der Workshops, sprich der verschiedenen Anwendungen Sprechen, Malen, Performen und KI-Tools anwenden. Darüber hätte man sich deutlicher bewusst machen können, welche Stärken die einzelnen Vorgehen aufweisen. Damit frage ich mich, in welchem Verhältnis die Resultate der Studierenden zu den Prozessen der Schüler*innen stehen.

  1. Was haben die konkreten Schüler*innenarbeiten in den Workshops ausgelöst und eröffnet? In welchem Verhältnis standen dazu die zur Verfügung gestellten Aufgaben der Lehrpersonen? Oder anders, welche der Aufgabenstellungen, die uns in den gesammelten Arbeiten vorgelegt waren, eröffneten einfacher einen künstlerischen Zugang?

Jlien Dütschler: Viele Aufgaben haben gereizt und eingeladen, sich weiter damit zu beschäftigen. Wir haben uns oft gefragt, wie mit einer Klasse gearbeitet worden ist, dass diese Resultate möglich waren. Und es gab auch Überraschungen durch den Nachvollzug, nämlich, dass die Resultate etwas ‚einfacher‘ wirkten, als man es am Anfang vielleicht erwartetet hätte. Es gab da ein paar Beispiele, die man nur über das eigene Nachvollziehen verstehen konnte. In einer Aufgabe gibt es immer ‚Abzweigungen‘, die möglich gewesen wären und die bewusst weggelassen wurden. Es gab Arbeiten, die sehr gut dokumentiert waren und damit auch sehr gut nachvollziehbar wurden.

Kurze Pause

Was ich hier zu bedenken geben möchte: Im grösseren Kontext des Gymnasiums repräsentieren wir ein Fach, in dem sehr viel über das, was gemacht wird, reflektiert und gesprochen wird. Wir versuchen in kleinteiligen Schritten darüber nachzudenken, was geschieht, und setzen uns mit dem Zeigen der Schüler*innenarbeiten im Schulhaus dazu auch aus. Das Bewusstsein für diese Prozesse ist gross!

Lara Rubin: Die dreidimensionalen Arbeiten, welche besonders auf ein Produkt hinarbeiten, kamen bei den Studierenden wie den Workshopleitenden sehr gut an. Dies, obwohl wir den Aspekt des Produktes in der Ausbildung nicht so hochhalten. – Was war diese Anziehung? Es war für mich eine interessante Beobachtung, weil es gefühlt oft die einfachsten Arbeiten waren, die am wenigsten komplexen, doch die emotionalen, die ausgewählt wurden. – Aber eventuell stimmt diese Einschätzung nicht? Mir ist aufgefallen, welchen Handlungsspielraum die Lehrperson in der (Mit‑)Gestaltung der Resultate hat!

Jlien Dütschler: Ich würde diese [Aufgabenstellungen] als bildwirksam bezeichnen, eingängig. Auch für die Klassen ist es manchmal notwendig, dass sie Resultate haben, an denen sie so etwas haben. Sie funktionieren in ihrer Abgeschlossenheit als Produkt. „Instagram-able“, wie die Schüler*innen dazu sagen, ein toller Begriff! Dass sich darunter solche Arbeiten befanden, ist nicht in einem negativen Sinn aufgefallen, denn es darf innerhalb eines Semesters auch sowas geben! Es gibt unterschiedliche Arbeiten, die zu unterschiedlichen Zwecken erarbeitet und hier ausgebreitet wurden. So gibt es Arbeiten, die in fast jeder Situation funktionieren.

Lara Rubin: Wir hatten die Arbeiten breit ausgesucht und allen zur Verfügung gestellt. Die Catcher wurden vor allem von den Workshopleitenden ausgesucht!

  1. Welche unserer Annahmen waren wertvoll, schwierig, komplex und warum? Was sind eure persönlichen Erkenntnisse aus der Woche? Und vor allem: Welche Anlagen der verschiedenen Workshops waren für euren eigenen Berufsalltag, für euch als Praktikerinnen besonders wertvoll?

Judit Villiger: Gibt es ein persönliches Fazit aus den Workshops fürs Bewerten? Konntet ihr als Berufspraktikerinnen etwas hinüberretten in eure Praxis? Wie würdet ihr dies beschreiben?

Lara Rubin: Meine Sicht auf die Woche ist diejenige der Konzeption und Reflexion, doch ich habe nicht aktiv an den Workshops teilgenommen. – Interessant war für mich in der Vorbereitung auf die Woche der Einblick in fremde Klassensätze und die gesamte Auslage durch die Datenauf- und -verarbeitung in der Auslegeordnung und Sichtbarmachung [im System Kleio Kleio.com ist ein digitaler Workspace für Kunst, Design und Kultur. Und diese Plattform, die sich als wichtiges Tool für Kulturschaffende und Institutionen etablieren konnte, sollte nun weiterentwickelt werden. Doch in welche Richtung – als Club, als Community, als digitaler Showroom? Das war die Frage, für die wir gemeinsam Antworten entwickelt haben (vgl. https://www.thinkpopcorn.ch/referenz-kunde/kleio [16.06.2025]).].

Im Rückblick auf die NWV konnte ich so ganz konkret für meine Bewertungspraxis im Unterricht nicht einfach ‚etwas übernehmen‘. Doch die Frage der Wertschätzung von Schüler*innenarbeiten als Haltung und damit verbunden, wie auf Klassensätze reagiert werden könnte, hat etwas bewegt. Dies passierte durch die Möglichkeit des Einblicks in andere Bewertungssysteme, und damit einher ging ein Bewusstwerden, dass sich darüber in der Fachcommunity viel zu wenig ausgetauscht wird. Auf meinen Unterricht bezogen, würde ich formulieren: Wie schaffe ich es, die Wertschätzung den Schüler*innenarbeiten gegenüber in ein Bewertungssystem zu überführen, das den Dialog darüber offen hält in der Fachschaft, auf dass die öffentlichen Kriterien diskutierbar werden. Hier sehe ich auch eine gewisse Dringlichkeit dies bereits im Studium stärker zu etablieren. Denn, ja, wir müssen uns bereits in der Ausbildung darüber Gedanken machen: sich mit den Kriterien zu beschäftigen! Der Stand ist, dass sich Studierende als angehende Lehrpersonen derzeit überlegen, wie sie die immense Verantwortung der Bewertung, respektive Einschätzung, an ChatGPT® abgeben könnten. Durch die AI-Möglichkeiten kommt eine völlig neue Instrumentierung‘ auf uns zu: Kriterien werden tatsächlich über ChatGPT® ermittelt und formuliert! Wer übernimmt hier das Bewusstwerden von Verantwortung, was heisst das für die Zukunft des Fachs?

Jlien Dütschler: Was ich aus der Woche mitgenommen habe zum Thema Bewerten und Einschätzen von Schüler*innenleistung? – Ich fand es persönlich vielversprechend als Formen der ästhetischen Auseinandersetzung, im Sinne, dass es dialogisch war und auch partizipativ. Dieses gemeinsame Lernen hat mich überzeugt. Es müsste mehr abbilden, dass die Schüler*innen ein Teil der Sache sind beim Bewerten/Einschätzen, sie müssten im Schulzimmer anwesend sein. Und es hätte eine Logik, dass sie in einem Setting der künstlerischen Auseinandersetzung anwesend sind.

Damit es mehr Perspektiven abbilden könnte, müssten die Schüler*innen mit dabei sein, in einem Setting der ästhetischen Auseinandersetzung. Jedoch auch in dieser Form bleibt es nicht frei von Deutungsansprüchen, blinden Flecken. Es bedingt grösste Wachsamkeit, dies bezieht sich auf offene wie kleine geschlossene Aufgaben. Dabei ist mir die Frage durch den Kopf gegangen, inwiefern ist das Bewerten ein echter Dialog? Wovon wir wegkommen wollen, ist, dass das Bewerten oft ein getarnter Monolog ist, der mehr aufgedeckt werden sollte. Oder anders, wie können wir den Dialog erweitern?

Ausblick

Judit Villiger: Die andere Ebene, die mit der NWV verbunden ist, ja, da kann man sich fragen, was wir alles eingelöst haben und was nicht. Die Anforderung, Teilnehmende abzuholen, war eine grosse Herausforderung – aber innerhalb einer Woche ist es schwierig, man konnte nicht zurück, das Gesamte war geplant und kam zu einer einzigen Durchführung. Für eine Einbindung in den Ausbildungszusammenhang – ginge es wohl darum in Zirkeln zu denken, zu wiederholen, darauf zurückkommen, dies würde implizieren, das Thema als Curriculares zu denken.