Am Drive-in eines Schnellimbisses filmt sich eine wartende Kund*in und berichtet, teils singend in der Form eines TikToks, von ihrer bevorstehenden Bestellung. Als Betrachtende sehen wir den Beitrag aus der Perspektive des längst online verbreiteten Hochformat-Videos. Die Protagonist*in scheint routiniert in ihren Handlungen zwischen Broadcasting und Bestellung.
Drive-ins sind nur für diejenigen Personen einfach zu bewältigen, die das kulturelle Skript dieses Ortes bereits kennen. Die Protagonist*in performt eine ihr bestens vertraute kulturelle Praxis. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass sie intendiert, etwas Neues zu tun, nämlich Chicken Rings auszuprobieren, die wie Onion Rings sind, aber eben aus Chicken bestehen. Das abgesicherte Skript der Drive-in-Bestellung (warten, sich dabei filmen, posten, bestellen, das Drive-in verlassen, essen) wird aber durch den Bestellvorgang jäh unterbrochen.
Der Bestellautomat, bzw. die Person hinter dem Bestellautomaten (wir können zunächst nicht sicher sagen, ob es sich um eine computerisierte Form oder eine Person handelt), hält unverhofft und plötzlich einen Vortrag in der typischen Form eines Internet-Wutausbruchs, der sich wie ein Gewitter über die Unbeteiligte ergießt. In einem einzigen Wortschwall löst die Rede das Chicken aus der marginalisierten, objektifizierten und unsichtbaren Rolle der Menschheitsgeschichte und installiert eine menschheitsgeschichtliche Generalperspektive vom Huhn. Der normalisierte Akt, Chicken Rings in einem Drive-in zu kaufen, markiert die Menschen als Hühner-mordende Barbaren – so das unverhoffte Narrativ des verzweifelten Vortrags.
Diese Szene stellt für uns die Schlüsselszene des Filmessays dar und war ausschlaggebend für unsere Bewerbung bei dieser Ausgabe.
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Die gesamte Bildserie "White Castle" hier zum Download