Ein Vergleich der ausserschulischen gestalterischen Förderung im Raum Luzern mit dem Angebot des K’Werk Basel-Stadt
Abstract:
Die Master-Arbeit ist ein Vergleich der ausserschulischen gestalterischen Förderung im Raum Luzern mit dem K’Werk in Basel-Stadt und eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Kreativität. Sie wurde im Studiengang Kunst Major Art in Public Spheres geschrieben. In der Forschung wird Kreativität oft als «Prozess, Neues und Nützliches zu schaffen» definiert. Das Problemlöseverhalten ist als Anlass zu Kreativität erkannt und verschiedene Neurowissenschaftler*innen belegen, dass sie gefördert werden kann. Der Bildungsorte Schule deckt jedoch nur beschränkt kreative Förderung ab. Ideen zur Umsetzung eines Förderanliegens für Schulen und auf politischer Ebene zeigt meine Thesis auf, die diesem Beitrag zugrunde liegt. Zentral ist ein empirischer Vergleich von Zugang, finanziellem Aufwand, Kreativitätsförderung und Genderimpacts der Angebote von ausserschulischer Kunstvermittlung in Luzern mit dem K’Werk in Basel. Meine Auswertung belegt, dass eine ermöglichte Finanzierung essentiell ist, damit ein barrierefreier Zugang für Jugendliche gewährleistet ist. Geeignete Räume, grosszügiges Zeitmanagement, offene Problemstellungen sind für die Kreativitätsförderung unabdingbar. Bezüglich Gender divergieren die Ergebnisse und Inhalte von Kursen sind sehr entscheidend. Der Start der Bildschule Luzern wird mit dem Fazit der Recherche begründet. Eine weiterführende PhD-Arbeit soll interkantonale Vergleiche von Angeboten, politische Finanzfaktoren und die Geschichte ausserschulischer gestalterischer Förderung ausarbeiten.

„Kann ich da hingehen?“, diese Frage brachte mich zum Nachdenken. Mit „da“ war ein Fotografiekurs für Kinder gemeint, der im K’Werk Bildschule bis 16 in Basel angekündigt war. Gefragt hatte meine damals 10-jährige Tochter, die diesen Kurs gerne besucht hätte. Unser Wohnort ist Sursee im Kanton Luzern und ein Semesterkurs an einem Wochentag in Basel ist aus Gründen der Distanz nicht realisierbar, die Enttäuschung war vorprogrammiert. Eine kurze Recherche über ausserschulische gestalterische Angebote für Kinder -und Jugendliche in der näheren Umgebung von Luzern führte zu einem nicht sehr vielversprechenden Resultat für meine Tochter. Mein Interesse am Thema vertiefte sich. Den Aufbau des K’Werks in Basel verfolgte ich sehr nahe, denn ich lebte lange in Basel, studierte dort Kunst und unterrichtete gestalterische Fächer von der Grundschul- bis zur Hochschulstufe. Auf dieser Vorkenntnis aufbauend entwickelte ich für meine Thesis-Schrift im Master Kunst an der Hochschule Luzern - D&K eine praxisbasierte Recherche, welche die aktuelle Situation von ausserschulischen gestalterischen Angeboten im Raum  Luzern beleuchtet und mit der Situation in Basel seit Gründung des K’Werks erstmals vergleicht. Diese Masterthesis war mir ein persönliches Anliegen und ein Fazit daraus ist meine Mitbeteiligung im Verein „Bildwerk Luzern“. Auch besuchte meine Tochter mit 14 Jahren nun selbstständig einen Samstagskurs in Basel.

 

Expert*innen-Interviews

Methodisch verwendete ich das empirische Forschungsformat des Expert*innen-Interviews und, um die politische Notwendigkeit eines ausserschulisch gestalterischen Angebots im Raum Luzern mitbegründen zu können, die vorgängige Klärung des Begriffs Kreativität, welcher heute sowohl im Berufsfeld wie in der Wissenschaften zentral im Zusammenhang mit ausserschulischer gestalterischer Förderung verwendet wird. Axel Buether, Professor für Design, Kunst und Architekt, erläutert den Begriff so: „Kreativität ist die Basis von Forschung und Innovation. Die Bildung der Kreativität fördert die Persönlichkeitsentwicklung und ermöglicht allen Individuen die Mitgestaltung der Zukunft moderner Gesellschaften.“ (Buether 2018: 79) Dennoch - eine einheitliche Definition des Begriffs ist aktuell nicht zu leisten, wissenschaftliche Forschungen im Themenfeld liefern differenzierte Ergebnisse, ein übergreifendes Verständnis existiert nur im Ansatz. Eberhard Brügel fasst den Sachverhalt zusammen: „Als der kleinste gemeinsame Nenner gilt die Formel: Kreativität ist die Fähigkeit, Neues, das wertvoll ist bzw. nützlich ist, zu produzieren oder zu entdecken.“ (Brügel 2018: 61). Jonathan Plucker führt umgekehrt die vielschichtigen Spektren von Kreativität hinsichtlich ihrer sozialen Bedeutsamkeit zusammen, wenn er betont: „Creativity is the interaction among aptitude, process and environment by which an individual or group produces a perceptible product that is both novel and useful as defined within a social context.“ (Plucker et al.2004: 90.

Aus der Unterrichtspraxis ist bekannt: Eignungen, Prozesse, unser Umfeld und die Art des Denkens bestimmen unsere Kreativität. So kann ein konvergentes und divergentes Denken dazu beitragen - ebenso wie Ruhenetzwerke -, dass Hirnstrukturen neue Verknüpfungen anlegen und Problemlösestrategien entwickeln. (vgl. Jauk/Neubauer/Dunst/Fink&Benedek 2015: 312-320).  


Kreativitätsförderung

Grundsätzlich belegt die Forschung eine eindeutige Wirkung von Förderung der Kreativität in jungen Jahren (Fink&Neubauer 2006: 46-53). Die Aussage von Jörg Zirfas: „Die Arenen Ästhetischer Bildung sind Krisenorte der Infragestellungen und Herausforderungen, in denen sich nichts von selbst versteht und in denen alle Faktizitäten und Geltungsansprüche nach kritischer Auslegung und Umsetzung verlangen“ (Zirfas 2015: 21) lässt darauf schliessen, dass das kontroverse Denken an sich beim Erlangen von Ästhetischer Bildung angestossen wird und sich auch auf andere Themenfelder interdisziplinär übertragen lässt. Torsten Meyer schreibt zum Aufsatz von Kirsten Winderlich über qualitativer Forschung zu Methoden von Ästhetischer Bildung: „Während die Kunstpädagogik bislang eher den Transfer von aus der Soziologie bzw. Ethnologie stammenden Methoden qualitativer Forschung in das eigenen Fach reflektiert, gerät damit auch der Transfer in die umgekehrte Richtung in den Blick gerät. Und hält damit auch fest, dass Ästhetische Bildung unverzichtbar ist für jegliche Praxis qualitativer Forschung ist.“ (Meyer 2009: 31). Weiter zeigt Meyer die Chancen für den kunstpädagogischen Bereich auf hinsichtlich kultureller Aspekte des Phänomens der Globalisierung und damit verbundenen Dynamisierungsprozesse. Er fragt, ob für dieses Phänomen nicht die Kunstpädagogik und der Kunstdiskurs besonders geeignet seien, einen angemessenen und produktiven Umgang zu finden. Er betont: „Kunst und dazugehörende Diskurse können dazu beitragen, Haltung zu erproben, damit Situationen der Begegnung mit dem Anderen nicht als bedrohlich abgewehrt werden müssen, sondern als Bereicherung erfahren werden können.“ (Vgl. Ebd: 31). Damit lassen beide, Zirfas und Meyer, keine Zweifel am Wert einer grundlegenden Allgemeinbildung, welche im gestalterischen Bereich ausgelöst, auf weitere Themenfelder und das Denken allgemein übertragen werden kann. An dieser Stelle zitiere ich Zirfas nochmals wie folgt: „Die Ästhetische Bildung befähigt zur Relativierung, zur Ironie und zur Kritik, aber auch zur Artikulation, zur Selbstvergewisserung, zum Experiment, zum Vernetzen – und nicht zuletzt zur Lebensfreude.“ (Ebd. 2015: 23)

 

Die Förderung der Kreativität in Form von Problemlösungen kann in allen Fächern angelegt werden: Die Unterstützung von Kreativitätsentwicklung beinhaltet – unabhängig von der Domäne, in der man kreativ ist – stets die folgenden Bereiche: (1) Unterstützung des Erwerbs von Vorwissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, (2) Unterstützung der Generierung verschiedener potenziell geeigneter Lösungen, (3) Unterstützung der begründeten Entscheidungsfindung und (4) Unterstützung bei der Umsetzung der Idee. Im öffentlichen Bildungsdiskurs scheint es oft, als sei der zweite Punkt das Wichtigste (...).“ (Baudson 2010: 190-199). Aber Scheitern aktiv in den Lernprozess einzubinden, braucht Zeit und Reflexion genauso wie eine gezielte Aufgabenstellung. Dabei soll das Vorgehen persönlich sein und Raum für Entwicklung lassen, wie Max Fuchs betont: „Man spricht inzwischen von leiblichen und mimetischen Lernen, was heisst, dass das Lernen nicht bloss ein kognitiver Prozess ist, der in der Grosshirnrinde abläuft. Viel mehr ist der Mensch mit all seinen Sinnen, mit seiner gesamten Körperlichkeit in Lernprozesse eingebunden. Offensichtlich ist dieser Ansatz höchst kompatibel mit einer ästhetisch-künstlerischen Praxis.“ (Fuchs 2016: 111) Doch Langsamkeit und Fehler bauen auf Zeitfaktoren, welche in der Unterrichtspraxis stetig knapper werden. Die Anzahl von gestalterischen Lektionen auf verschiedenen Schulstufen verschwindet ganz oder wird im Ganzklassunterricht eingebettet, wie es auch im Kanton Luzern auf diversen Schulstufen momentan geschieht. Diese Entwicklung ist ein Ausdruck unserer messbar gemachten Bildungswelt und mitbegründet in einer fehlenden verfassungsrechtlichen Verankerung des Bildnerischen Gestaltens, welche dem Sport seit langem und der Musik seit 2012 Förderung auf Bundesebene garantiert. Eine wichtige Möglichkeit, dies zu kompensieren sind ausserschulische Angebote zur gestalterischen Förderung von Kindern und Jugendlichen.

Um also die Situation im Raum Luzern zu analysieren, erstellte ich einen Fragekatalog und besuchte alle anbietenden Institutionen im Raum Luzern. Im zweiten Teil der Studie verglich ich diese Ergebnisse mit dem Angebot des K’Werk Basel. Damit gelang auf empirischer Basis eine Übersicht über alle existierenden Angebote, sowie eine Analyse zu Zugang und der Finanzierung. Zudem wurde der Frage nachgegangen, welche Rolle die Kreativitätsförderung und Genderaspekte innerhalb der Angebote spielen.


Erkenntnisse der Studie

Breite Zugänglichkeit durch finanzielle Unterstützung

Folgende Erkenntnisse hinsichtlich der Inhalte und Finanzierung der Angebote lassen sich abschliessend festhalten: Die von mir untersuchten sechs Angebote 1 Tüftelwerk Luzern, Kinderatelier akku, Emmen, Hochschule Luzern, Kunstschule Luzern, Kunstmuseum Luzern, Museum im Bellpark, Kriens (vgl. Heri 2019: 28-41) ausserschulischer, gestalterischer Förderung im Raum Luzern, bedingen einen finanziellen Aufwand pro Stunde von 6.- bis 24.-, CHF. Ein einziges Angebot bleibt deutlich darunter, da es keine fixen Stunden verrechnet, sondern für einen geringen Jahresbetrag individuell genutzt wird. Als eine Obergrenze können ca. 1000.- CHF jährlich angenommen werden, welche eine Familie bereit ist, in der Schweiz für ausserschulische Förderung auszugeben. Damit sind Anbieter grundsätzlich auf finanzielle Unterstützung von Gemeinden, Stiftungen und Privaten angewiesen, um ein vergleichbares öffentliches, niederschwelliges und gemeinnützliches Angebot der gestalterischen Förderung mit kontinuierlichem Charakter wie Musikschulen oder Sportvereine zu erreichen. Statistisch Nachgewiesen sind steigende Teilnehmerzahlen bei allen Anbietern, welche die finanzielle Obergrenze nicht überschreiten (Vgl. Heri 2019: 46). Die Sicherstellung einer konkurrenzfähigen Institution mit kontinuierlichem Angebot ergibt sich direkt durch die Anbindung an ein Museum, Unterstützung von Privaten, Gemeinden oder gemeinnützige Stiftungen. Durch die Angliederung an eine öffentliche gestalterische Schule - wie im Kanton Basel-Stadt - ist dies gleichermassen gesichert (Jahresbericht K’Werk 2012). Für den Raum Luzern kann belegt werden, dass Kurse für Jugendliche ab 12 Jahren einen wichtigen Einfluss auf die spätere Berufswahl haben. Die ausgeweiteten Kursangebote im Raum Luzern lassen darauf schliessen, dass die Nachfrage für eine ausserschulische gestalterische Förderung vorhanden ist, wenn die Kostengrenze von zirka 16.- pro Stunde nicht überschritten wird; was bei fünf Anbietern in Luzern der Fall ist.


Kreative Problemlösungen lernen

Das zweite Themenfeld meiner Studie ist die Kreativitätsförderung. Im Zentrum meiner Befragungen steht dabei der Prozess einer kreativen Problemlösung, welcher durch die erste Anleitung von Grundfertigkeiten mit Materialien und prozessbegleitendes Anleiten entsteht. Wichtig dabei ist, dass das Erreichen eines Ziels von den eigenen Ansprüchen abhängig ist und keine äussere Beurteilung angewendet wird. Dieser wertneutrale Raum ist für den kreativen Prozess enorm wichtig, denn darin ist der Freiraum, ein eigenes Wertesystem zu entwickeln, enthalten. Dazu gehört ebenfalls, sich darüber auszutauschen und eigene Vorstellungen zu realisieren (Heri 2019: 47). Der wertneutrale Raum wird explizit von Teilnehmenden als besonders zentral erwähnt – im Gegensatz zur Schule. Ebenso zentral ist die aufgewendete Zeit für die Vertiefung der Erfahrungen mit Inhalt und Material. Weiterführende Kurse geben Raum für eine Fortsetzung, einer Wiederaufnahme und Auseinandersetzung mit einem Thema von persönlichem Interesse. In der Reflexion der eigenen Arbeit besteht ein grundlegender Teil der Kreativitätsförderung, denn sich Zeit nehmen können und dem Denken verschiedene Richtungen zu geben, das geschieht auch in den Zeiten zwischen den Kursen, wenn die Ruhenetzwerke des Gehirns unzensierte Gedanken zulassen (Heri 2019: 47). Auch wird Sprachkompetenz im Austausch in der Gruppe unterstützt und herausgefordert; sie kommt deshalb in allen Angeboten vor. Teilweise sind die Angebote frei, teilweise ist die thematische Vorgabe stärker, da im Ausstellungskontext der inhaltliche Bezug und der feste Zeitrahmen vorgegeben ist (Heri 2019: 48). Den eigenen Fortschritt bemerken und als formbar zu erleben, ist nach Richard Hass ein wichtiger Faktor, um überhaupt kreatives Denken entwickeln zu können (Hass 2014). Darin ist das Lernen durch Fehler explizit enthalten, welchem die Schule nicht immer gerecht werden kann. Die ausserschulischen Angebote scheinen also ein Denken zu produzieren, welches an Entwicklung glaubt. Eine eigene Problemfindung steht vielfach am Anfang eines kreativen Prozesses, wobei das intrinsische Moment eine weitere wichtige Rolle innerhalb der Förderung einnimmt: Ausprobieren können und die Probleme selber zu erarbeiten, kann in jedem Angebot möglich sein, auch wenn das Entwickeln von Ansätzen in vorgegebenen Themen stattfindet. Es bedingt eine individuelle und zeitlich wenig definierte Struktur, was in schulischem Umfeld oft schwierig umzusetzten ist. Weiter kommen im Rahmen der Angebote - mehrheitlich - uneingeschränkt bespielbare Räume hinzu, welche viele differenzierte Erfahrungen erlauben. Zudem führt die Zusammenarbeit mit anderen Kursen und Institutionen zu einer Bereicherung und Ausweitens des eigenen Arbeitens einer Institution, sowie ausgesuchte Projekte mit transdisziplinären Inhalten wie Musik, Raum, Theater, Bau und Stadtplanung.  Derartig bewusst gesuchte multidisziplinäre Anwendungen kommen in den bestehenden Angeboten allerdings noch wenig vor.


Genderaspekte  

Ich komme zum dritten Recherchefeld. Das Augenmerk auf Genderaspekte zu lenken spielte in Luzern insofern eine Rolle, als sich zwischen Inhalt eines Kurses und Anteil der Geschlechter Muster abbilden. Das Alter der Kinder und Jugendlichen, Unterrichtsform und die Lehrperson sind ebenso ausschlaggebend. Grundsätzlich wählen Jungen eher Game Design und Bauen; Mädchen wählen vermehrt Inhalte im Bereich Zeichnen oder Textil. Der Anteil von ihnen in der technischen Welt steigt jedoch stetig. Der Inhalt von technikorientierten Kursen ist vielfach auch in der Schule Teil des Lernstoffes und wird fächerspezifisch gefördert. Dahingegen sind Felder wie Textiles und Zeichnen gerade die Fächer, deren Lektionen in der Schule aktuell abgebaut werden (link: Lehrpläne etc.) und so als weniger wertvoll vermittelt werden. Buben sind grundsätzlich weniger bei weichen Materialien und Zeichnen vertreten als Mädchen in technikaffinen Kursen. Je älter die Teilnehmenden sind, desto ausgeprägter ist diese Differenz - dies bestätigen alle Angebotsanbieter. Zudem gibt es Angebote, welche sich explizit an Mädchen richten, sei es zur Förderung von technischen Inhalten,  oder mit Fokus auf den soziokulturellen Hintergrund, damit verschiedenste Bevölkerungsgruppen an einer gestalterischen Förderung teilhaben können.


Vergleich mit dem K‘Werk in Basel

Ich komme nun zum Vergleich des Angebotes mit dem K‘Werk in Basel, auch hinsichtlich der Finanzierung. Die Initiant*innen des K’Werk Basel betrieben in den Jahren vor und auch nach der Gründung 2005 einen grossen Aufwand für das Akquirieren von Mitteln und das Aufbauen politischer Netzwerke, bis die Aufnahme in die kantonal betriebene Schule für Gestaltung (SfG) vom Parlament 2012 bewilligt wurde. Diese Unterstützung erlaubt ihnen, mit 8.30.- CHF pro Stunde ein niederschwelliges Angebot aufrecht zu erhalten und so in der Öffentlichkeit als breit gefächerte ausserschulische Institution für Gestalterisches Arbeiten wahrgenommen zu werden. Die Zusammenarbeit mit anderen Partnern von verschiedensten Sparten lassen das Angebot als gleichwertig zu demjenigen der Musikschule erkennen.

Das K’werk in Basel überprüft seine Kreativitätsförderung regelmässig unter Anleitung des von der PH Zürich entwickelten Systems der Lehr-Lern-Arrangements: „Von hoher Relevanz für die Reflexion und Weiterentwicklung der didaktischen Arbeit in der Bildschule war der Themenbereich der ‚Kreativität in der Lehre‘. Das Team der Bildschulen K’Werk Basel ordnet die eigenen Unterrichtsmethoden in das von der PH Zürich entwickelten System der Lehr- Lern- Arrangements ein.“ (Gysin/Wiedmaier/Windholz/Riedrich 2018: 191). Die Reflexion geschieht anhand von dreizehn erfassten Unterrichtsmethoden, welche das Anwenden von divergentem und konvergentem Denken in fünf Phasen des kreativen Prozesses aufzeigen (vgl. Konferenz Bildschulen Schweiz 2016: 115 – 122). Dazu kommen für die einzelnen Kurse verbindliche Lehrpläne, welche den Kursbeschrieb, den Inhalt und die Ziele festhalten und die Qualität des Unterrichts ansprechen und sichern. Auch hier kommen positive Stimmen der Kursteilnehmenden über ein explizites Ausprobieren und Suchen eines Lösungsweges ohne Zeitdruck und mit eigener Wertung explizit in den von mir geführten Interviews zum Ausdruck (Heri 2019: 56).

Was die Reflexion auf Genderaspekte anbelangt, sind spezifische Eigenheiten zur differenzierten Förderung  in den Kursen ersichtlich. Die Leiterin des K’Werk Basel, Sabine Gysin, bestätigt, dass der Inhalt der Kurse die Anzahl von Buben und Mädchen beeinflussen kann - ähnlich den Ergebnissen, welche ich in Luzern ermittelt habe. Ebenso haben Art des Unterrichts, Lehrpersonen und Alter der Teilnehmenden einen Einfluss auf die Anzahl von Mädchen und Buben. Sie ist sich der Problematik bewusst und gibt wie folgt Gegensteuer: Sie setzt gezielt weibliche Lehrpersonen als Leitende in von Buben bevorzugten Kursen ein, sie wählt die Fotos in der Werbung, um Vorurteile abzubauen oder bietet einen speziell für ein Geschlecht ausgeschriebenen Kurse an, welcher inhaltlich Gendernormen durchkreuzt. Dabei ist zu beachten, dass in Basel ein leichter Überhang an Buben im Durchschnitt aller Kurse zu vermerken ist (Interview Heri Gysin, Heri 2019: 56).


Resümee

Ich fasse zusammen: Der Vergleich der Angebote aus den beiden Regionen diente der Klärung der bildungspolitischen Frage: Welche Chance hat eine Bildschule in Luzern? In meiner Auswertung kommen kurz und –langfristige Aspekte zum Ausdruck, welche es zu beachten gilt. Kurzfristig gilt: Erstens: Luzern bietet bereits verschiedene Arten von ausserschulischer Förderung an. Die bestehenden Angebote sollten sorgfältig beachtet werden und Zusammenarbeiten sind zu suchen und zu pflegen – besser als eine Lösung von oben herab zu kreiren. Mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden können so ergänzende Inhalte festgelegt werden. Zweitens: Finanziell, matetriell und räumlich sollte aber eine vereinheitlichte sichere Grundlage aufgebaut werden. Für Stiftungen, private Gönner*innen, Legate und Spenden auch in materieller Form, sollten verbindliche Richtlinien vorhanden sein. Kontinuität und Sicherheit ist eine zentrale Komponente für das Wachstum und die Qualität eines Angebots, damit die Niederschwelligkeit  garantiert werden kann. Zum Dritten: Das Anlegen von weitreichenden Netzwerken und intensives Lobbying ist Grundlage für eine breite Bekanntheit, Akzeptanz und Unterstützung des ausserschulischen Förderangebots. Personen aus vielerlei politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Kreisen sind für die Idee zu gewinnen und eine Verbindung zu öffentlichen Stellen ist von grossem Vorteil. Hier stellt sich die Frage: Warum bleibt das Gestalten mit allen Facetten im Raum Luzern von einer Art der Förderung ausgeschlossen wie sie dem Sport und der Musik selbstverständlich zuteil wird?

Langfristig ist zu beachten: Erstens die Angliederung an eine öffentliche gestalterische Schule ist im Raum Luzern anzustreben, denn die damit gewonnene Ausweitung des Publikums nützt allen Seiten, wie von Ursula Gysin, der Direktorin der SfG Basel, bestätigt wird. Der Einblick in den Berufsalltag des Gestaltens und der Ausblick auf eine eigene gestalterische Berufswahl ist für viele Kursteilnehmende bereits jetzt eine wichtige Motivation und wird bestätigt durch die Ergebnisse des Vergleichs. Ebenso ist die finanzielle Sicherheit des Angebots so gegeben und wirkt sich positiv auf Kontinuität und Breite des Angebots aus. Zweitens bieten Sparten- und institutionsübergreifende Projekte ein hohes Potenzial an Entwicklung und steigern den Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung. Damit kommen Verbindungen zustande, welche sich gegenseitig befruchten und weiterentwickeln.

Grundsätzlich stelle ich fest, dass der von Kindern und Jugendlichen geäusserte Wunsch nach freiem Experimentieren, Forschen ohne direkte Aufgabenstellung und Ausprobieren von Materialien, eine über alle Stufen hinweg gemachte Aussage ist. Den Wertungen und der Zeitstruktur eines Schulsystems zu entgehen, ist die Triebfeder vieler Teilnehmenden und kann in ausserschulischen Angeboten perfekt bedient werden. Diesen Freiraum mit geeigneten Projekten, spartenübergreifenden Zusammenarbeiten zu institutionalisieren und zusätzlich auszudehnen ist eine Aufgabe, welche ausserschulische gestalterische Förderung bedienen kann und soll. Dabei entsteht ein Denken, welches sich langfristig und ganzheitlich positiv auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirkt. Ich komme in meiner Thesis deshalb zur Überzeugung, dass ausserschulische gestalterische Förderung von Kreativität Kinder und Jugendliche für ihr Leben prägt und in Luzern ein Ausbau dieser Förderung sinnvoll und möglich ist.

Gestalterische Bildung ist ein umfassendes Thema, welches innerhalb von Schulen und in ausserschulischen Angeboten erfasst werden soll, um weitere Möglichkeiten und Ziele ihrer Förderung zu verstehen, zu begleiten und aktualisieren. So kommt Max Fuchs in seinem Text Wozu Kunst, wozu kulturelle Bildung? mit anthropologischen, soziologischen und politischen Begründungen, pädagogischen und psychologischen Befunden und empirischen Ergebnissen zum Schluss, dass wir nicht mit leeren Händen dastehen, wenn es um die Begründung einer reichhaltigen ästhetisch-künstlerische Praxis geht (vgl. Fuchs 2016). Er konstatiert: „Der Unesco-Slogan ‹Kulturelle Bildung für alle› – inzwischen fast als Menschenrecht behandelt – kann mit seriösen Argumenten unterfüttert werden.“ (Fuchs 2016: 111) Mit diesen Worten lässt uns Max Fuchs von einer ganzheitlichen Möglichkeit von kultureller Förderung für Kinder – und Jugendliche träumen; gehen wir dabei einen Schritt weiter!

Im Moment erarbeite ich ein weiterführendes PhD-Projekt. Darin sollen verschiedene Richtungen, welche das Anliegen einer gesamtheitlichen Förderung unterstützen, untersucht werden; unter anderem sollen erstmals die historischen Hintergründe von ausserschulischer Förderung beleuchtet werden. Eine Bestandaufnahme der Förderangebote auf nationaler Ebene, ihren Inhalten, ihrem Zugang, ihre finanziellen Hintergründe und der Genderaspekt, bietet die notwenige Grundlage für politische Entscheide auf nationaler Ebene, um damit die notwenige Ausbauarbeit von ausserschulischen Angeboten im bildnerischem Gestalten und die Erhaltung von Lektionen im schulischen Kontext begründet werden kann.

 

Literatur

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Beck, Henning (2015). In: Isler, Thomas (Regie)/ Riedrich, Bettina (Interviews): Gespräche über Kreativität. Film zum Buch: Konferenz Bildschulen Schweiz (Hg.): Bauplatz Kreativität. Zürich, (http://bildschulen.ch/film, 20.03.2019).

Brügel, Eberhard (2018): Die komplexe Struktur kreativer Prozesse. In: Berner, Nicole (Hg): Kreativität im kunstpädagogischen Diskurs. München, Kopaed-Verlag. S. 61.

Buether, Axel (2018): Kreativität lehren und lernen. In: Berner, Nicole (Hg): Kreativität im kunstpädagogischen Diskurs. München, Kopaed-Verlag. S. 79, 81.

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Fuchs, Max (2016): Wozu Kunst, wozu kulturelle Bildung? In: Bauplatz Kreativität, Philosophie und Praxis Bildschulen Schweiz, Hg. Konferenz Bildschulen Schweiz. Basel, Karo Verlag. S. 107-111.

Gysin, Sabine/ Widmaier, Verena/ Windholz, Barbara/ Riedrich, Bettina (2018): Bildschulen Schweiz: Aus der Praxis zur Theorie und zurück, Kreative Prozesse wahrnehmen und steuern-eine Standortbestimmung. In: Berner, Nicole (Hg): Kreativität im kunstpädagogischen Diskurs. München, Kopaed-Verlag. S. 191.

Jauk, Emanuel/ Neubauer, Aljoscha C./ Dunst, B./ Fink, Andreas & Benedek, Mathias (2015): Gray matter correla- test of creative potential: A latent variable voxel-based morphometry study. In: NeuroImage, 111, S. 312–320.

Hass, Richard W. (2014): Undergraduates’ Thoughts About Creative Success: Anecdotes From a Creativity Seminar. In: Psychological Science. Online First Published. (https://www.psychologicalscience.org/observer/undergraduates-thoughts-about-creative-success-anecdotes-from-a-creativity-seminar, 12.03.2019).

Heri, Nicole (2019). …Das ist etwas , was nur jeder Mensch für sich kann, und er kann mit der Kreativität machen was er will. Das ist ganz sich selber sein. Ein Vergleich der ausserschulischen gestalterischen Förderung im Raum Luzern und dem K’Werk Basel. Masterarbeit, Master of Arts in Fine Arts, Major Art in Public Spheres. Hochschule Luzern -  Design & Kunst. Mentorat: Prof. Sabine Gebhardt

Konferenz Bildschulen Schweiz (Hg.) (2016): Kunst und Pädagogik zusammenbringen. Methoden an den Bildschulen Schweiz. Bauplatz Kreativität, Philosophie und Praxis Bildschulen Schweiz. Basel, Karo Verlag. S.115-122.

Meyer, Torsten (2009): Forschung in und an der Kunstpädagogik. In: Meyer Torsten, Andrea Sabisch (Hg.): Kunst Pädagogik Forschung. Bielefeld, Transcript Verlag. S.15-31.

Plucker, J. A., Beghetto, R. A. & Dow, G. T. (2004): Why isn’t creativity more important to educational psychologists? Potentials, pitfalls, and future directions in creativity research. In: Educational Psychologist, 39(2), 83-96.

Zirfas, Jörg (2015): Arena als methodischer Begriff. Mit einem Blick auf Ästhetische Bildung. In: Zirfas, Jörg (Hg.): Arenen der Ästhetischen Bildung. Zeiten und Räume kultureller Kämpfe. Bielefel, Transcript Verlag. S. 9-31.


Kurzbiografien der Autor_innen: