Editorial Art Education Research °11

Über FLAKS (und dar­über hin­aus) – 5 Jah­re For­schungs­la­bor für Küns­te an Schu­len

Her­aus­ge­ber_in­nen: An­na Schürch und Sa­scha Wil­len­ba­cher

5 Jahre FLAKS! Seit 2011 bauen wir das Forschungslabor für Künste an Schulen FLAKS als interdisziplinäre Plattform für kunst-, musik- und theaterpädagogische fachdidaktische Forschung am Institute for Art Education an der ZHdK auf. Vor fünf Jahren war FLAKS eine Idee, ein Konzept, ein Konstrukt. Es ging um Visionen für die Schulfächer Bildnerisches Gestalten, Musik und Theater, um die Potentiale von Gegenwartskunst für den Kunstunterricht, um den Wunsch, Lehrpersonen zu finden, die mit uns zusammenarbeiten und forschen wollen, um die Forderung, die kritisch-theoretischen Implikationen von Kunstproduktion in der Vermittlung nicht runter- sondern raufzubrechen und dadurch gesellschaftspolitische Fragen im Schulkontext verhandelbar zu machen.
Unterdessen gibt es FLAKS. FLAKS hat Erfahrungen gesammelt, hat Aktionsforschungsprojekte und Lehrveranstaltungen durchgeführt, hat Mitwirkende und Sympathien gewonnen, internationale Aufmerksamkeit gefunden, ein SNF-Projekt an Land gezogen, sich interdisziplinär erweitert und aus Herausforderungen gelernt. Im Zuge der konkreten Arbeit haben sich anfängliche Vorstellungen redimensioniert, es wurde deutlich, dass die Relevanz aus der Spezifik der jeweiligen Kontexte hervorgeht und dass diese Relevanz immer wieder von neuem erarbeitet werden muss.
Die vorliegende 11. Ausgabe von Art Education Research dokumentiert, wie sich die Arbeit von FLAKS auf Basis des Aktionsforschungsansatzes und in der Zusammenarbeit mit Berufspraktiker_innen entwickelt hat. Sie ist somit Rückblick, Dokumentation und Ausblick in einem – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Ein leitender Gedanke bei der Zusammenstellung der einzelnen Texte war es, dass FLAKS immer dann greifbar wird, wenn es um die konkrete Arbeit im Rahmen von FLAKS geht. Wir haben daher Beteiligte gebeten, die Zusammenarbeit mit FLAKS aus ihrer Perspektive zu fassen, zu beschreiben und zu reflektieren. Dabei sind nicht einfach Berichte über die Möglichkeiten und Herausforderungen einer Kooperation mit FLAKS entstanden, sondern situationsbezogene Mikrostudien über Fragen, die Berufspraktiker_innen in ihrer kunst-, theater- und musikpädagogischen Vermittlungstätigkeit beschäftigt haben.
Die Texte sind verfasst von Praktiker_innen für Praktiker_innen. Sie sollen für Lehrpersonen ebenso zugänglich, informativ und anregend sein wie für Forschende im Feld Kunstvermittlung, für diejenigen, die Aktionsforschungsprojekte begleiten und für Fachdidaktiker_innen. Ein wichtiges Anliegen ist es, die Erkenntnisse zu den untersuchten fachlichen und didaktischen Fragen an eine Professional Community zu vermitteln und mit ihr zu teilen. Darüber hinaus sollen die Leser_innen aber auch eine Vorstellung davon erhalten, wie Aktionsforschung in kunst- und theaterpädagogischer Praxis aussehen kann. Aktionsforschung als ein für FLAKS grundlegender Ansatz kommt in den vorliegenden Texten in Verbindung mit der Entwicklung von Vermittlungspraxis, als Dimension der Lehrer_innenbildung und in ihrer Bedeutung für die Fach- und Hochschuldidaktik wie für die Lehrer_innenprofessionalisierung zum Tragen. Die Texte zeigen exemplarisch, welche Möglichkeiten, welche Qualitäten aber auch welche Schwierigkeiten mit dem Ansatz verbunden sind. Von Interesse ist dabei immer auch die Frage nach dessen kritischen Potenzialen.
Einleitend bietet Carmen Mörsch in ihrem Grundlagentext einen Überblick zur Genese der Aktionsforschung und beschreibt, welche Spannungsfelder mit dieser Geschichte bis heute verbunden sind. Michèle Novak und Anna Schürch berichten über die Schnittstelle von FLAKS zur fachdidaktischen Lehre und über ihre Erfahrungen mit dem Forschungspraktikum, einer Lehrveranstaltung am Master Art Education, Vertiefung bilden & vermitteln. In drei Berichten zu FLAKS-(Kooperations)Projekten stellen Beteiligte vor, was eine forschende Auseinandersetzung mit der eigenen Vermittlungsarbeit bedeuten kann und wie daraus Anknüpfungspunkte für die weitere professionelle und fachliche Praxis abgeleitet werden: Während Anne Gruber in ihrem Beitrag ihre Auseinandersetzung mit Bildarchiven im Projekt «Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit im BG-Unterricht» darstellt, geht Andreas Bürgisser von seinen Erfahrungen als studentischer Assistent bei FLAKS aus und gibt Einblick in Betrachtungsweisen seiner Arbeit an Schulen, die er im Rahmen des Theaterpädagogischen Reflexionsraumes entwickelt hat. Ursula Ulrich stellt in ihrem Artikel ein ebenfalls theaterpädagogisches Teamforschungsprojekt an der Maihof-Schule in Luzern vor, in dem es um Anerkennungspraktiken in Probenprozessen geht, aber auch um die Herausforderung, die das Erarbeiten einer forschende Haltung im Kontext von FLAKS darstellte. Abgerundet wird die Textsammlung durch zwei Gastbeiträge aus anderen institutionellen Kontexten: Mit Marion Thuswalds Text über das Forschungs-Bildungsprojekt Facing the Differences an der Akademie der bildenden Künste Wien wird das Spektrum des Journals um die Diskussion der Bedeutung ‚emanzipatorisch-partizipatorischer‘ Forschung für eine kritische, pädagogische Professionalisierung erweitert. Christoph Marty wiederum stellt die Erkenntnisse zur Musizierpraxis von Schüler_innen vor, die er aus einem Praxisforschungsprojekt im Rahmen seiner musikpädagogischen Master-Thesis an der Hochschule Luzern – Musik gewonnen hat. An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei Jürg Huber bedanken, der als FLAKS-Beirat und Kollege an der HSLU den Beitrag von Christoph Marty vermittelt und betreut hat. Hingewiesen sei hier zudem auf Art Education Research Nr. 9 von Dezember 2014 zu Positionen musikpädagogischer Forschung im deutschsprachigen Raum.
Ausgeklammert haben wir in dieser Ausgabe das SNF-Forschungsprojekt von FLAKS Kalkül und Kontingenz, das im Oktober 2015 abgeschlossen wurde. Zu diesem Projekt findet am 2. April 2016 die Tagung (Un)planbares kalkulieren – Kunstunterricht und Theatervermittlung zwischen Kalkül und Kontingenz an der Kantonsschule Olten statt; eine grössere Publikation ist für 2017 vorgesehen.
Ohne Lehrpersonen, die an einer selbstbestimmten, forschenden Auseinandersetzung mit ihrer Lehrpraxis interessiert sind, bräuchte es FLAKS nicht. Gleichzeitig gilt auch, dass eine Beforschung der eigenen Praxis, wie sie uns vorschwebt, (bislang) nur vereinzelt von selbst nachgefragt wird. Die ‚Einsicht in die Notwendigkeit‘ entsteht meist erst im Dialog, empfinden sich Kolleg_innen doch häufig als Solisten, die unter Zeitdruck vielfältigen Ansprüchen gerecht werden sollen. Und dann auch noch forschen? Die eigene Praxis befragen? So stehen wir nach wie vor an dem Punkt, dass FLAKS Lehrpersonen und Theaterpädagog_innen etwas bieten kann, nach dem sie womöglich suchen ohne es zu wissen – auch wenn aus FLAKS in den letzten Jahren eine funktionierende, von vielen mitgetragene Plattform für kunst-und theaterdidaktische Forschung geworden ist. Gerade mit Blick auf Forderungen nach zähl- und messbaren Bildungseffekten, die das Unterrichten auf sicht- und kontrollierbare Ergebnisse reduzieren und die die Unterrichtspraxis verändern, ist das Entwickeln einer selbstbestimmten, forschenden Haltung unverzichtbar. Zumal sich die anfängliche Mehrarbeit auszahlt, wie uns immer wieder rückgemeldet wird: in Form einer neu entdeckten Freude an der eigenen Profession, einer neu oder wieder erlangten Handlungsfähigkeit – trotz oder gerade wegen der beim Forschen erkannten Verstrickungen in das eigene künstlerisch-pädagogische Handeln. Wir wünschen uns, dass dieses Heft zum Anlass wird, das eigene Unterrichten, die eigene theaterpädagogische Praxis, forschend in den Blick nehmen zu wollen!


Anna Schürch und Sascha Willenbacher


Redaktion Katharina Flieger, Anna Schürch und Sascha Willenbacher
Layout der Texte Anne Gruber
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